Franz Stummer – Friseur mit Leib & Seele

55 Jahre ist Franz Stummer dem Beruf treu geblieben, jetzt genießt er seine Pension, auch wenn die Umstellung nicht leicht viel. Im Interview erklärt er, wie sich das Friseurhandwerk während seiner Zeit verändert hat und was er sich für die Zukunft der Branche wünscht.

Sie sind vor Kurzem in Pension gegangen. Wie ist es Ihnen bei diesem Übergang in eine neue Lebensphase gegangen? Vermissen Sie es, im Salon zu stehen?

Ich habe im fünfundfünfzigsten Berufsjahr mein Arbeitsleben beendet. Natürlich habe ich mich vorbereitet und in den letzten Jahren zuerst meine Arbeitsleistung auf vier Tage und dann auf drei Tage reduziert. Trotzdem war es keine einfache Umstellung. Mir fehlt der Austausch mit den Kunden und meinen Mitarbeitern, auch die kleinen Erfolgserlebnisse, die man als Friseur jeden Tag erleben darf. Aber ich sage danke, dass ich so lange fit bleiben durfte und mir die Arbeit oft Freude gemacht hat!

Sie können auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurückblicken. Wie hat sich das Friseurhandwerk von Ihrer Lehrzeit bis zum Ende ihrer aktiven Karriere verändert?

Es hat sich sehr viel verändert, sowohl die Mode, die Haarschnitte, als auch die Möglichkeiten, Haare zu behandeln und Kunden zu einem guten Aussehen zu verhelfen. Als ich angefangen habe, trugen die Damen die Haare hochtoupiert, mit viel Haarspray. Dann kam Vidal Sassoon und hat die Damenhaarmode revolutioniert und die natürlichen Formen zurückgebracht. Er hat den Grundstein gelegt für die modernen, schlichten und sehr genau ausgeführten Haarschnitte, die auch heute noch zum Grundrepertoire eines jeden guten Friseurs gehören. Das war eine super Zeit für uns Friseure, weil unser Handwerk extrem gut angekommen ist und der Haarschnitt so wichtig für den Zeitgeist war.

Dann kam die Mode der langen, natürlich fallenden Haare als Gegenpunkt zu den geometrischen Haarschnitten. In den 1980ern kam dann das Comeback der Volumenfrisuren mit der Welle und den Locken. Besonders der Mini Pli und luftgetrocknete Dauerwellen waren Umsatzbringer.

In den 1990ern wurde dann die Haarfarbe der bestimmende Trend des gepflegten Haares. Durch die Weiterentwicklung der Haarkosmetik entstanden immer mehr Möglichkeiten und Färbetechniken. Das war auch sehr gut für uns Friseure. Die Arbeit war technisch anspruchsvoll und wenn die Kunden zufrieden waren, kamen sie regelmäßig zurück, um die Farbe zu erneuern.

Jetzt sehen wir, dass bei den jüngeren Kunden wieder mehr die Natürlichkeit gefragt ist. Die Farbe oder Tönung ist zwar immer noch beliebt, muss technisch gut gemacht sein, rückt aber wieder etwas in den Hintergrund.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf die Friseurbranche zukommen? Wie können Sie überwunden werden?

Die wichtigsten Dinge in unserer Dienstleistung sind, neben dem handwerklichen Können, die Entwicklung der Mitarbeiter, der Qualität und die Schaffung einer Wohlfühlatmosphäre im Salon, um den Kunden echtes Wohlbefinden zu ermöglichen. Es war immer schon schwierig, die passenden Mitarbeiter für den eigenen Salon zu finden, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit jeder seine beste Leistung bringen kann. Das wird in Zukunft sicher nicht leichter werden. Ich hoffe, dass die Zeit kommt, in der das Handwerk mehr Stellenwert erhält. Es gibt viele selbstständige Handwerker, die leistungsbereite und leistungsfähige Mitarbeiter suchen, das wird auch in Zukunft die größte Herausforderung im gesamten Handwerk und nicht nur bei uns Friseuren sein.

Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, welchen hohen gesellschaftlichen und systemischen Stellenwert die Friseure haben. Wie kann diese Erfahrung für die Zukunft genützt werden?

Wenn etwas geschlossen ist und der Konsument erhält es nicht, steigt der Wert. Ich glaube, dass diese Wertsteigerung nicht allzu lange anhält. Die Zeit ist sehr schnelllebig. Ich finde viel wichtiger, dass ein Salon ein stimmiges Qualitäts-, Preis- und Leistungsangebot hat und das Niveau über Jahre möglichst gleichbleibend hält, das bindet Kunden. Ich vergleiche das gerne mit der Gastronomie: Auch hier kann sich vor allem die gehobene Gastronomie langfristig durchsetzen und überleben. So ist es auch bei uns Friseuren. Man muss für sich eine gute und qualitätsvolle Linie entwickeln. Ein solches Dienstleistungsangebot hat die größten Erfolgsaussichten. Wem es gelingt, im eigenen Salon einen Ort des Wohlfühlens zu schaffen, der wird immer Arbeit haben.

Welchen Rat können Sie jungen Kolleginnen und Kollegen geben, die daran denken, selbstständig zu werden?

Sie brauchen Freude und Liebe an der Arbeit, das ist das Wichtigste. Dann sollen sie sich einen persönlichen Arbeitsschwerpunkt suchen und sich klar sein, dass es nach oben (finanziell) Grenzen gibt. Wenn sie es können, sollen sie nach Möglichkeit kein Solo-Dienstleister werden, da es langfristig sehr schwierig ist, dass durch zu halten. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass dadurch die ganze Branche ausblutet, auch wenn die Umstellung gerade für junge Friseure am Anfang ihrer Karriere verlockend ist. Doch gerade jetzt hat man gesehen, dass die Betriebe, die mehrere Mitarbeiter haben, schneller und besser aus der Krise gekommen sind.

Da sehr gute Leistung viel Zeit beansprucht, wäre es für mich ein Traum, die Umsatzsteuer von 20 Prozent auf 10 Prozent zu reduzieren. Das Ersparte kann in Löhne für Mitarbeiter und Erträge für die Firma fließen. Es wäre auch leichter, Investitionen durch zu führen. Auch bei unseren Kunden sollte man deren finanzielle Möglichkeiten berücksichtigen.